Wissenswertes über Zöliakie
„Früher gab es sowas nicht!“ höre ich immer wieder, wenn es um das Thema Zöliakie geht. So oft wird die Erkrankung auch heute noch für eine recht junge Modeerkrankung gehalten, von der man erst in den vergangenen Jahren immer mal wieder etwas hört. Aber ist das wirklich so? Seit wann gibt es Zöliakie überhaupt?
Aretäus der Kappadokier
„Eine erste Erwähnung des Krankheitsbildes wird Aretäus, dem Kappadokier, welcher im ersten bis zweiten Jahrhundert vor Christus lebte, zugeschrieben.“1 Er beschrieb die Beschwerden und nutzte das griechische Wort „koiliákos“, also „an der Verdauung leidend“ oder auch „bauchige Krankheit“ für die Erkrankung, die wir heute als Zöliakie kennen. Zumindest wissen wir jetzt schon einmal, wo das heutige Wort Kolik herkommt! 😊
Ketelaer
Der Begriff „Sprue“ wurde später durch den belgischen Arzt Vincent Ketelaer geprägt, der die Erkrankung das erste Mal 1669 in seinem Buch erwähnte.
Samuel Gee
Im 19. Jahrhundert wurde Zöliakie dann erstmals genauer beschrieben. 1888 berichtet Samuel Gee von einer Verdauungsstörung, der sogenannten „coeliac affection“. Hiervon waren damals insbesondere Kleinkinder im Alter zwischen einem und fünf Jahren betroffen. Gee gilt heute als einer der Pioniere in der Erforschung der Zöliakie. Er erkannte damals schon, dass eine Ernährung bei Patienten mit Zöliakie zu schweren Verdauungsproblemen führte und empfahl daher eine entsprechende Diät, um die Symptome zu lindern. Auch dem amerikanischen Dr. Christian Herter fiel bereits 1908 auf, dass seine Patienten Fett besser vertragen als Kohlenhydrate. „Zu dieser Zeit beschränkte sich die Diagnostik der Zöliakie vollständig auf die klinischen Symptome und das Alter der Kinder bei der Erstvorstellung. Später wurde dann die gestörte Darmabsorption als wesentlicher Mechanismus der Zöliakie erkannt.“2
Willem Dicke
Obwohl Gee die Krankheit erstmals beschrieb, wurde der Begriff „Zöliakie“ erst später durch den Niederländer Willem Dicke geprägt. Erste Untersuchungen publizierte Dicke bereits 1941, nachdem ihm plötzliche Verbesserungen des Zustands an Zöliakie (seinerzeit als Gee-Herter-Syndrom bezeichnet) leidender Kinder aufgefallen waren.
Einen Durchbruch in der Erforschung der Krankheit hatte der Kinderarzt aber erst 1950. Während des Zweiten Weltkriegs hatte er bemerkt, dass seine kleinen Patienten mit Zöliakie verbesserte Symptome zeigten, nachdem sie infolge der Mangelversorgung während des Krieges kaum mehr Getreideprodukte aßen. So kam er dahinter, dass die Unverträglichkeit von Gluten die zugrunde liegende Ursache der Zöliakie ist und identifizierte in den darauffolgenden Jahren im Rahmen seiner Forschungen das Klebereiweiß Gluten als entscheidenden schädlichen Faktor bei Zöliakie.
Weitere Meilensteine
Weitere Meilensteine der Zöliakieforschung war 1957 die erstmalige Beschreibung der Zottenatrophie durch Margot Shiner aus London und 1958 die Erstbeschreibung der Gliadin-Antikörper und die Einführung der serologischen Diagnostik durch E. Berger aus Basel.
Im Jahr 1969 wurden erstmals die diagnostischen Kriterien für die Zöliakie, basierend auf neuen Erkenntnissen über das Krankheitsbild, von der Europäischen Gesellschaft für pädiatrische Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung (ESPGHAN) verabschiedet. Diese „Interlaken-Kriterien“ gelten heute in der revidierten Fassung von 1990. Während in den 1980er Jahren die Endomysium-Antikörper als hochspezifischer serologischer Marker identifiziert wurden, konnte 1997 dann schließlich die Gewebetransglutaminase (tTG) als das entscheidende Antigen für die Zöliakie-Antikörper identifiziert werden.
Auch wenn nach wie vor an der Autoimmunerkrankung geforscht wird, ist die strikte glutenfreie Diät immer noch die einzige wirksame Behandlungsmethode. Trotz der Möglichkeit einer differenzierten und rationalen Diagnostik durch die Entwicklung von Bluttests und Dünndarmbiopsien, „ist die Zöliakie aufgrund ihres breiten klinischen Spektrums und bei fehlender Anwendung serologischer Screening-Methoden weit unterdiagnostiziert“.3
Ihr seht – Zöliakie ist alles andere als eine neumodische Erkrankung oder ein Trend. Die ersten Betroffenen gab es bereits weit vor unserer Zeit. „Das gab es doch früher nicht!“ ist somit einfach nicht richtig. Früher wurden einfach noch weniger Diagnosen als heute gestellt, so dass Betroffene nie den Grund für ihre möglichen Symptome und Leiden erfahren haben. Die Krankheit an sich gab es jedoch durchaus!
Habt ihr euch auch immer schon die Frage gestellt, seit wann es Zöliakie gibt bzw. wann darüber das erste Mal berichtet wurde? Hättet ihr gedacht, dass Zöliakie bereits so früh auf eine Art entdeckt und erforscht wurde? Habt ihr noch mehr Informationen dazu? Berichtet mir gerne in den Kommentaren davon!
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Eure Anna ♥
Quellen
1 Riemann, Jürgen F. et al.: 2008 Gastroenterologie in Klinik und Praxis, Band 1: I Intestinum: 6 Dünn- und Dickdarm, 6.6 Zöliakie (einheimische Sprue), S. 660-661. [Aufzurufen über diesen externen Link.]
2 Keller, KM. (1996). Antigliadin-, Antiretikulin- und Antiendomysium-Antikörper in der Diagnostik der Zöliakie. In: Kist, M., Caspary, W.F., Lentze, M.J. (eds) Ökosystem Darm VII. Springer, Berlin, Heidelberg. [Aufzurufen über diesen externen Link.]
3 Schuppan D, Zimmer KP: The diagnosis and treatment of celiac disease. Dtsch Arztebl Int 2013; 110(49): 835–46. DOI: 10.3238/arztebl.2013.0835 [Aufzurufen über diesen externen Link.]
Dowd B, Walker-Smith J. Samuel Gee, Aretaeus, and the coeliac affection. Br Med J. 1974 Apr 6;2(5909):45-47. [Aufzurufen über diesen externen Link.]
Dieterich, W., Ehnis, T., Bauer, M. et al. Identification of tissue transglutaminase as the autoantigen of celiac disease. Nat Med 3, 797–801 (1997). [Aufzurufen über diesen externen Link.]