Emotionale Herausforderung im Alltag

Zöliakie – ein Begriff, der für viele zunächst nur nach einer „kleinen Unverträglichkeit“ klingt, doch für Betroffene eine lebenslange, tiefgreifende Umstellung bedeutet. Es ist nicht nur der Verzicht auf Brot, Pizza oder Kuchen. Es ist eine emotionale Herausforderung und ganz besondere Reise, die viel mehr umfasst als einen neuen Speiseplan.

Gliederfigur

Die Diagnose – ein Schock mit zwei Seiten

Viele sind nach ihrer Diagnose erst einmal erleichtert. Besonders dann, wenn sie eine jahrelange Odyssee von Arzt zu Arzt hinter sich haben. Endlich ist sie da, die Antwort auf die ständigen Magenprobleme, die Müdigkeit, das diffuse Unwohlsein. Doch die Erleichterung weicht schnell der Realität – einem Leben ohne Gluten. Ein Leben, das plötzlich voller Verbote, Unsicherheiten und ständiger Wachsamkeit ist.

Auf einmal geht es nicht mehr nur ums Essen. Es geht um Gewohnheiten, um Erinnerungen, um Geschmack. Essen ist so viel mehr als Nährstoffaufnahme – es ist Genuss, Beisammensein und oft auch eine Selbstverständlichkeit. Aber das merkt man erst dann, wenn man nicht mehr unbesorgt hier und da zugreifen kann. Plötzlich muss man all das neu definieren und lernen. Auf einmal schmeckt der Geburtstagskuchen anders, die Weihnachtskekse von Oma sind tabu und das Lieblingsessen von Mama, das man schon seit Kindertagen liebt, ist Geschichte. Besonders am Anfang kann man sich schnell unsicher und ausgeschlossen fühlen – vom Essen, von Normalität, von Unbeschwertheit.

Teetasse

Essen als soziale Hürde

Was für andere Genuss, Gemeinschaft und Leichtigkeit bedeutet, wird für Menschen mit Zöliakie schnell zur Herausforderung. Spontan im Café frische Waffeln essen? Nur, wenn ich vorher die Zutatenliste kenne, den Backvorgang hinterfrage und sicher bin, dass keine Kontamination stattgefunden hat. Geburtstagsfeiern, Geschäftsessen, Restaurantbesuche, Urlaubsreisen – alles will durchdacht, geplant und hinterfragt sein. Spontan sein ist nicht mehr. Man fühlt sich manchmal wie ein Außenseiter – nicht nur, weil andere einem das Gefühl geben, sondern weil man selbst mit dieser ständigen inneren Alarmanlage lebt.

Dazu kommt die Unsichtbarkeit. Anders als ein gebrochenes Bein, sieht man Betroffenen die Erkrankung äußerlich nicht an. Das führt oft zu Unverständnis, Zweifeln und zu Kommentaren wie: „Du stellst dich aber an“ oder „Ein bisschen wird schon nicht schaden“ – doch es schadet. Sehr. Und tatsächlich bin ich der Auffassung, dass diese Unsichtbarkeit, verbunden mit Unwissenheit oft die größten Hürden für uns Betroffene sind. Vielen Menschen fehlt hier einfach die Vorstellungskraft, was das Leben mit Zöliakie bedeutet. Dass es eben nicht nur darin besteht, keinen normalen Kuchen mehr zu essen, sondern das Leben in so vielen Bereichen beeinflusst.

Die emotionale Herausforderung & Belastung

Zöliakie bedeutet Kontrolle. Immer. Man ist nicht „nur ein bisschen empfindlich“ – kleinste Spuren von Gluten können massive Reaktionen auslösen. Diese ständige Achtsamkeit kann anstrengend sein. Sie fordert mental. Es gibt Tage, da wünsche ich mir, einfach sorglos mit anderen essen zu können, ohne Erklärungen, ohne Vorsicht. Aber so funktioniert das nicht.

Insbesondere die soziale Komponente spielt dabei eine große Rolle. Manchmal hat man selbst das Gefühl zum Einsiedlerkrebs zu werden. Einladungen werden vermieden, spontane Treffen werden dankend abgelehnt. Ich selbst habe damals begonnen, mir Ausreden zurecht zu legen, warum ich gerade nichts essen möchte. Ich habe keinen Hunger. Ich habe schon gegessen. Und ja, tatsächlich mache ich das teilweise auch heute noch.

Wie oft ich vor einem Treffen oder einer Verabredung schon Zuhause esse, damit ich unterwegs darauf verzichten kann, wenn es nicht möglich ist, etwas sicher Glutenfreies zu finden oder das Ganze mit zu vielen Risiken verbunden ist. Oder weil man einfach mal keine Lust hat, sich zu erklären oder zu rechtfertigen. Auch wenn das für Nicht-Betroffene nicht normal klingen mag, ist genau das die Realität von vielen Betroffenen. Dieses ständige Gedankenkarussell kann eine echte mentale Herausforderung sein – ob es manche glauben oder nicht!

mentale Herausforderung bei Zöliakie

Ein neues Selbstverständnis

Mit der Zeit habe ich gelernt, nicht nur anders zu essen, sondern auch anders zu kommunizieren. Ich habe gelernt, meine Bedürfnisse klar zu formulieren, Nein zu sagen und für meine Bedürfnisse einzustehen. Ich habe Menschen gefunden, die Verständnis zeigen. Ich habe Restaurants in meinem Umfeld gefunden, in denen ich mich gut aufgehoben fühle und weiß auf der anderen Seite, wo ich mich nicht sicher fühle. Ich habe Menschen gefunden, die mich mitsamt meiner Special Effects akzeptieren, mit oder sogar für mich kochen. Ich habe neue Rezepte entdeckt, neue Rituale geschaffen und mein Körpergefühl neu entdeckt.

Und das Beste: Wir haben Möglichkeiten gefunden, wie der Geburtstagskuchen wieder wie früher schmeckt und was man anpassen muss, dass auch an Weihnachten die Zöliakie keine Rolle spielt. Zöliakie ist Teil meines Lebens geworden – nicht als Feind, sondern als eine Art Mentor. Sie zwingt mich, gut auf mich zu achten, mich selbst ernst zu nehmen und Grenzen zu setzen.

gedeckter Tisch

Hürdenlauf im Alltag

Auch wenn ich mich so gut mit der Erkrankung arrangiert habe, ist das Leben außerhalb der eigenen vier Wände oft noch ein Hürdenlauf. Nach wie vor stehen Menschen mit Zöliakie in ihrem Alltag immer noch vor neuen Herausforderungen. Besonders dann, wenn sie ihre sichere Bubble verlassen und wie jeder andere Mensch am öffentlichen Leben teilhaben möchten. Ganz egal, ob es ein Restaurant- oder Kinobesuch, Brunch, Picknick oder der Stadionbesuch ist – für Menschen mit Zöliakie ist all das eine große Herausforderung oder einfach nicht möglich!

Auch wenn ich mich selbst als starke Betroffene einschätze, gibt es Situationen, die mich nach wie vor sprachlos machen. Situationen, die ich einfach ungerecht finde und in denen mich die Emotionen überkommen. Situationen, in denen man völlig überfordert ist und einfach unfassbar sauer auf seine Zöliakie ist. Oder auf die Cafébetreiberin, die mit glutenfreien Speisen wirbt, aber Menschen mit Zöliakie sagt, dass sie doch zu Hause bleiben sollen, wenn sie so empfindlich sind! Ja, auch so etwas gehört zu unserem Alltag!

Ein Blick nach vorn

Es ist an der Zeit, dass Menschen mit Zöliakie unbeschwerter durch den Alltag gehen können – ohne ständiges Erklären, ohne Angst vor der nächsten Mahlzeit, ohne sich wie ein Sonderfall zu fühlen.

Was es dafür braucht? Verständnis. Bewusstsein. Offenheit. In der Gesellschaft, in Cafés, Restaurants, Kantinen und auf Familienfeiern. Ein echtes Zuhören, ein respektvolles Mitdenken und der Wille, gemeinsam Lösungen zu finden. Zöliakie sollte nicht bedeuten, am Rand zu stehen, sondern mittendrin zu sein – mit den gleichen Rechten auf Genuss, Teilhabe und Sicherheit wie alle anderen.

Wenn wir es schaffen, dass sichere glutenfreie Alternativen nicht als Last, sondern als Selbstverständlichkeit gesehen werden – dann kommt wieder etwas zurück, das viele Betroffene oft vermissen: Normalität. Und genau das ist es, was wir uns wünschen: Kein Mitleid. Kein Drama. Sondern ein Alltag, in dem wir nicht die mit den Sonderwünschen sind – sondern ganz normale Gäste.

Cappuchhino

Ist das Leben mit Zöliakie für euch manchmal auch noch eine emotionale Achterbahnfahrt und mentale Herausforderung? Was stört euch seit der Diagnose am meisten und war habt ihr durch die Zöliakie dazugelernt? Berichtet mir gerne in den Kommentaren davon!

Folgt ihr mir eigentlich schon auf Instagram und Facebook? Ich freue mich, wenn wir uns auch da vernetzen!

Eure Anna ♥

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