Aus dem Leben mit Zöliakie: Wenn das gut gemeinte Angebot zur Herausforderung wird
Es gibt kaum eine schönere Geste, als jemanden mit einem selbstgebackenen Kuchen zu überraschen, oder? Doch was ist, wenn die Person von Zöliakie betroffen ist? Während der Satz „Ich möchte dir einen Kuchen backen!“ in vielen Ohren wie Musik klingen mag, löst er bei mir und wahrscheinlich bei vielen weiteren Zöliakie-Betroffenen zunächst einmal ganz viel Unsicherheit und Unbehagen aus. Direkt fängt es im Kopf an zu rattern. Mögliche Gefahrenquellen werden innerlich analysiert. Von jetzt auf gleich fallen einem so viele Möglichkeiten ein, die dabei schiefgehen könnten!

Die Herausforderung der glutenfreien Küche
Gluten ist ein Klebereiweiß, das in vielen Getreidesorten vorkommt und dem Teig seine elastische Struktur verleiht. Für Menschen ohne Zöliakie ist es ein unsichtbarer Bestandteil vieler Nahrungsmittel, doch für Betroffene ist es eine Substanz, die strikt gemieden werden muss. Hier kann schon eine kleine Menge Gluten ernsthafte gesundheitliche Probleme verursachen.
Warum das wirklich glutenfreie Backen so kompliziert ist
Der Schlüssel zur glutenfreien Küche liegt nicht nur in der Wahl der richtigen Zutaten, sondern vor allem in der Vermeidung einer (Kreuz-)Kontamination. Bedeutet: Es reicht nicht aus, wenn nur das Mehl und andere Zutaten entsprechend ausgetauscht werden. Auch der richtige Umgang mit den Lebensmitteln ist extrem wichtig. Es sind eben nicht nur die Zutaten an sich, die problematisch sein können. Auch Backformen und andere Küchenutensilien, die sonst für glutenhaltige Backwaren genutzt werden, können hier zu einem echten Problem werden! Eine ganz schöne Herausforderung. Für Menschen mit und ohne Zöliakie!
- Küchenutensilien: Wenn das Schneidebrett, der Mixer, das Sieb, das Handrührgerät oder die Kuchenform zuvor mit glutenhaltigen Produkten in Berührung gekommen sind, kann dies bereits ausreichen, um den vermeintlich glutenfreien Kuchen für Zöliakie-Betroffene ungenießbar zu machen. Auch wenn die Küchenutensilien und -geräte auf den ersten Blick sauber aussehen mögen, lauert hier der Teufel im Detail. Durch den üblichen Gebrauch können sich in kleinen Einkerbungen, Ritzen oder im Inneren Gluten absetzen, das dann spurenweise bei der Nutzung freigesetzt werden kann. Bei manchen Utensilien reicht auch eine ordentliche Reinigung nicht aus. Springformen & Co. sollten entweder nur für glutenfreie oder nur für glutenhaltige Kuchen genutzt werden!
- Mehlstaub in der Luft: Glutenhaltiges Mehl kann beim Backen leicht durch die Luft wirbeln und sich auf Arbeitsflächen, in Ritzen und auf anderen Lebensmitteln absetzen. Sollten parallel auch glutenfreie Backwaren zubereitet werden oder die Küche nicht penibel gereinigt worden sein, kann es leicht zu einer Kreuzkontamination kommen.
- „Verstecktes“ Gluten: Wirklich jede Zutat sollte genau überprüft werden. Manchmal staunt man nicht schlecht, in welchen Lebensmitteln Gluten enthalten ist. Also: Immer die Zutatenliste checken. Worauf ihr bei Mehl achten müsst, habe ich hier schon einmal aufgeschrieben!

Tipps für Nicht-Betroffene: So gehe ich am besten vor
- Sprich vorab mit der betroffenen Person und höre ihr zu: Für mich ist es enorm wichtig, dass man vorab mit mir über das Projekt „glutenfreien Kuchen backen“ spricht. Gerne nehme ich mir die Zeit und gehe jeden Schritt im Detail durch. Nur so können von vorne herein mögliche Gefahrenquellen besprochen und Sorgen kommuniziert werden. Auch den Punkt „Zuhören“ möchte ich hier gerne noch einmal betonen. Betroffene und Nicht-Betroffene Personen haben oft ein unterschiedliches Verständnis davon, was mögliche Spuren und eine Kontamination betreffen. Wenn ich als betroffene Person sage, dass ich einen Kuchen aus einer Springform, in der zuvor glutenhaltig gebacken wurde, nicht essen kann, sollte das respektiert werden. Hier bringt es nichts über die Sorgen hinwegzugehen und zu sagen „Es sollte ja wohl reichen, wenn ich das noch einmal spüle.“ Es ist auch völlig ok, wenn man im Gespräch herausfindet, dass das Ganze zu heikel oder auch zu viel ist – mittlerweile gibt es wirklich leckere glutenfreie Backwaren, mit denen ihr der betroffenen Person eine Freude machen könnt!
- Informiert euch gründlich: Versteht was Zöliakie ist und warum es so wichtig ist, jede Spur von Gluten zu vermeiden. Zöliakie ist eben nicht „nur“ eine Unverträglichkeit. Dazu verhält sich glutenfreier Teig oft anders als der von glutenhaltigen Backwaren. Nutzt am besten bereits erprobte Rezepte und haltet euch and die Mengenangaben!
- Verwendet separate Utensilien: Nutzt bitte separate Backutensilien, die ausschließlich für glutenfreie Zubereitungen verwendet werden. Dies gilt insbesondere für Backformen und Handrührgeräte! Auch bei Schüsseln & Co. sollte darauf geachtet werden, dass diese vorab blitzeblank gereinigt werden! Vielleicht leiht euch die betroffene Person ja auch einige ihrer Küchenutensilien – dann seid ihr auf der sicheren Seite!
- Kontrolliert die Zutaten: Kauft zertifizierte glutenfreie Produkte. Achte darauf, dass auch scheinbar unverdächtige Zutaten wie Schokolade oder Gewürze sicher glutenfrei sind. Hier habe ich bereits einmal ausführlich Tipps für den glutenfreien Einkauf aufgeschrieben.
- Vermeidet kontaminierte Oberflächen: Reinigt die Arbeitsflächen gründlich, bevor ihr mit dem glutenfreien Backen startet. Achtet darauf, dass keine Krümel oder Mehlreste von vorherigen Backvorgängen vorhanden sind. Das gilt genauso für den Backofen!
- Backt bei Ober-/Unterhitze: So wird die Gefahr minimiert, dass Mehlstaub durch den Backofen gewirbelt wird.
- Binde die betroffene Person ein: Mir gibt es Vertrauen, wenn ich während des Backens quasi mitgenommen werde. So können auch währenddessen noch Fragen geklärt und bestimmte Dinge besprochen werden – das gibt auf beiden Seiten Sicherheit!
- Verpackung und Transport: Wenn der Kuchen transportiert oder gelagert werden muss, stellt sicher, dass er in einer sauberen, glutenfreien Umgebung aufbewahrt wird. Auch das Messer und der Tortenheber sollten natürlich nur für den glutenfreien Kuchen genutzt und vorab gut gespült werden.

Tipps für Betroffene: Wie gehe ich mit dem gut gemeinten Angebot um?
Natürlich fühlt man sich geschmeichelt, wenn jemand die Mühe auf sich nehmen und extra einen glutenfreien Kuchen zaubern möchte. Ich finde so etwas immer unheimlich schön, wenn sich jemand so viele Gedanken macht, nur um mir eine Freude zu machen – auch wenn es gleichzeitig Unsicherheit in mir auslöst. Für mich ist es immer ein schmaler Grat, sich über das Angebot zu freuen und andererseits dankend abzulehnen und all die Sorgen zu äußern, die direkt durch den Kopf schwirren. Besonders herausfordernd wird es dann, wenn die entsprechende Person die Ängste nicht wahr und ernst nimmt. Vielleicht helfen euch die Tipps ja beim nächsten Mal weiter:
- Bedankt euch aufrichtig: Zeigt Wertschätzung für das Angebot, auch wenn ihr es schlussendlich nicht annehmen könnt. Ein freundliches „Danke, das ist wirklich lieb von dir!“ ist immer ein guter Anfang. Bei mir kommt dann immer relativ schnell das „Aber…“. 😉
- Erklärt die Situation: Viele Menschen wissen nicht, wie streng die Diät bei Zöliakie sein muss. Eine kurze Erklärung kann helfen, Missverständnisse zu vermeiden: „Ich freue mich sehr über das Angebot, aber bei Zöliakie kommt es wirklich auf kleine Spuren an. Hier reicht es eben nicht, wenn nur die Zutaten ausgetauscht werden…“.
- Bietet Alternativen an: Wenn euch nicht ganz wohl dabei ist und ihr das Angebot ablehnen möchtet, könnt ihr vorschlagen, gemeinsam einen glutenfreien Kuchen zu backen. So kann sichergestellt werden, dass alle notwendigen Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden, und der andere lernt gleichzeitig mehr über das glutenfreie Backen. Ich biete auch immer gerne an, selbst etwas mitzubringen oder empfehle fertige Kuchen, die ich mag! Eine Alternative kann auch beispielsweise eine Leckerei sein, die nicht so viel Kontaminationsrisiken mit sich bringt. Schichtdesserts sind doch auch immer eine tolle Option!
- Sei ehrlich: Wenn ihr Zweifel habt und euch einfach nicht sicher fühlt, sollte dies offen angesprochen werden. Es ist besser freundlich abzulehnen, als das Risiko einzugehen, krank zu werden. Hier gibt es bereits einen Beitrag zum Thema „Nein sagen bei Zöliakie„.
Geht es euch ähnlich, wenn jemand für euch backen möchte? Ich bin mir sicher, dass ich mit der Sorge und Unsicherheit nicht alleine bin. Wie geht ihr mit solchen Situationen um? Berichtet mir gerne in den Kommentaren davon!
Folgt ihr mir eigentlich schon auf Instagram und Facebook? Ich freue mich, wenn wir uns auch da vernetzen!
Eure Anna ♥