Nepal: (M)ein Morgen in Pashupatinath

Die Sonne brennt vom Himmel und trocknet die Pfützen des Regens vom Abend zuvor. Ich irre von Bouddha kommend etwas durch die Straßen, die mich zum Bagmati-Fluss führen. Baustellen neben saftig grünen Reisfeldern, fieser Staub und Abgase, die einem ins Gesicht pusten. Kühe gucken einen träge kauend von der gegenüberliegenden Straßenseite an.

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Die Eisentreppe, an der unzählige Gebetsfahnen im Winde flattern, scheint eine imaginäre Grenze zwischen der hektischen Welt mit lauter hupenden Autos und Motorrädern und der entspannten Welt innerhalb des Pashupatinath-Areals zu sein. Auf ein Mal kann man den ganzen Stress ausblenden, den der Verkehr vom Aufstehen morgens bis abends, wenn man seine Ohropax in die Ohren stopft, mit sich bringt.

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Gebetsfahnen flattern überall im Winde!

Nachdem die ersten Aufseher mit einem freundlichen Namasté auf einen zugestürmt kamen und man sein Ticket gelöst hat (stolze 1000 Rupien), strahlt einen der erste Tempel schon entgegen – gelbe Hinweisschilder weisen darauf hin, dass der Eintritt für uns Nichtgläubige nicht gestattet ist. Freche Affen warten schon auf den Mauern und mustern ihre potentiellen Opfer aus dem dicken Bodhibaum.

Den teilen sie sich gemeinsam mit einem Grüppchen Männern, die im Schatten des Baumes das Treiben beobachten. Ein Eisverkäufer steht lässig an seinen kleinen Wagen gelehnt und wartet auf Kundschaft. In mehreren Reihen stehen Fahrräder und Motorräder und warten darauf, wieder auf Kathmandus hektische Straßen zurückzukehren. Ein bisschen besorgt bin ich schon, dass ich eines der Gefährte anstoße – ich kann mir sicher sein, dass danach die ganze Reihe wie bei einem Dominospiel umkippen würde. Und in Domino war ich als Kind schon ein Meister!

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Wer mag ein Eis haben?

Wenige Schritte weiter: Ernüchterung. Auch noch mehr als ein Jahr nach dem schlimmen Erdbeben wird einem die zerstörerische Kraft dieser Naturgewalt bewusst. Wie ein Puppenhaus steht es da, an dem die Fassade fehlt. Die Backsteine liegen zum Teil schon aufgestapelt zu seinen Füßen und warten darauf, wieder aufgebaut zu werden.

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Das Erdbeben ist an vielen Sellen noch präsent.

Ein paar Schritte weiter geht es über eine Treppe durch schattenspendende Bäume den Hügel hinauf – die gierigen Affen warten nur darauf, dass jemand etwas Leckeres zu Essen oder auch nur ein Getränk auspackt. Pustekuchen! Euch werde ich meinen einzigen glutenfreien Muffin, den ich noch aus Deutschland im Rucksack habe nicht freiwillig schenken. Auch die VerkäuferInnen, die den Wegesrand säumen, um Süßigkeiten und vor allen Dingen kalte Getränke an die Besucher verkaufen, sind mit Zwillen ausgestattet, um ihre nicht zahlenden tierischen Gäste zu verscheuchen.

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Ich gebe es zu: Affen und ich werden keine Freunde mehr!

Auf dem Hügel angekommen, hat man eine wunderbare Sicht über die umliegenden Stadtbezirke. Mit ein bisschen Anstrengung kann ich auch die Stupa von Bodnath erkennen.

Die kleine Tempelanlage hier oben erinnert mich an bisschen an Angkor Wat. Dicke Baumwurzeln suchen sich ihren Weg. Jeder kleine Tempel beherbergt seinen eigenen Gott. Meist erkennt man an dem davorstehenden Reittier, dass Shiva wohl drinnen wohnt.

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Nandi: Shivas Reittier.

An der anderen Seite geht es über eine breite Steintreppe nach unten. Frauen versuchen ihre Ketten und Armbänder an die meist weiblichen Touristinnen zu verkaufen. Ein Junge bietet seine pink leuchtende Zuckerwatte an, die an einer Art langem Besenstiel baumelt.

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Darf es etwas Zuckerwatte sein?

Schlurfend geht es die Stufen wieder nach unten. Hier und da blitzt die Sonne durch die dicken Baumkronen. Bauarbeiter beseitigen noch Schäden von den Erdbeben an den kleinen Tempelchen, die rechts und links an der breiten Treppe liegen.

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So ganz weiss ich noch nicht, was da gleich auf mich zukommt. Wie auch? Ich habe so etwas noch nie erlebt. Wie nah kommt man an die Gahts heran, an denen traditionell viele Hinduisten ihre letzte Ruhe finden? Ich muss zugeben, dass ich etwas aufgeregt bin. Von einem kleinen Balkönchen oberhalb des Flusses kann man die Gahts am Bagmatifluss, die wie Treppenstufen ins Wasser führen, überblicken. Wo rechts noch fröhlich die Kinder das tolle Wetter genießen und aufgedreht ins Wasser springen und gucken, wer mit seinem Fliegengewicht das meiste Wasser verdrängt, wird auf der anderen Flussseite ein Verstorbener aufgebahrt. In gelbe Tücher gewickelt, stehen seine Angehörigen bei ihm und beten. Einige Meter weiter sind noch die letzten Reste eines Feuers erkennbar und an einer anderen Stelle wird ein neues Feuer entzündet. Für uns Ungläubigen ist es eh nicht möglich, direkt an die rituellen Verbrennungen heranzugehen. Mir tut dieser Abstand ehrlich gesagt auch ganz gut.

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Die Gahts von Pashupatinath.

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Ganz ehrlich? Ich kann gar nicht viel sagen! Es ist so wahnsinnig spannendgleichzeitig komme ich mir wie ein Gaffer vor. Ich bleibe doch zu Hause auch auf dem Friedhof nicht stehen und gucke bei Beerdigungen zu, schießt es mir durch den Kopf. Ich setzte mich in eine kleine Ausbuchtung in der Mauer, so wie es viele Nepalis auch machen und lasse das Ganze auf mich wirken. Wenn ich Fotos mache, komme ich mir schlecht vor. Als wenn es einen Streit zwischen Teufel und Engelchen in meinem Kopf gibt. Andere Touristen ziehen die Aufmerksamkeit auf sich. Hotpants. Tief ausgeschnittene Tops. Die Kamera konstant auf die letzten Gebete und Rituale um den Verstorbenen gerichtet. Das Ganze wird immer unwirklicher. Einige Meter weiter sitzen zwei Sadhus. Wie weiß angepinselt sehen sie mit ihren verrückten Dreadlocks aus. Offen lachende Sadhus, die ein paar Rupien mit Fotos verdienen wollen, Affen, die es auf Snacks abgesehen haben, plantschende Kinder und entspannt quatschende Grüppchen, die den neuesten Klatsch und Tratsch austauschen und dann die andere Seite, auf der der Tod so nah ist. Gedankenverloren stehe ich einige Augenblicke auf der Brücke – der imaginären Grenze zwischen den beiden Welten. Mir ist nicht nach Sprechen. So viele Gedanken im Kopf, aber gleichzeitig scheint er leer zu sein. Am Anfang wusste ich nicht, was Pashupatinath mit mir machen würde. Vor allen Dingen macht es mich nachdenklich. Leben und Tod liegt hier so nah beieinander – alles an einem Flussufer. Der Wind dreht. Eine kleine Aschewolke, die mir von einem der Feuer entgegenkommt, sagt mir, dass es Zeit zu gehen ist.

Es geht über die breite Steintreppe zurück. Ich drehe mich noch einmal um – da liegt es wie auf den zuvor gesehenen Postkarten vor einem: Pashupatinath.

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Die Tempelanlage von Pashupatinath.

Achtung!

Fallt nicht auf die Tricks der fliegenden Händler rein! Man sollte meinen, dass ich durch die Reisen schon einiges gelernt hätte, aber manchmal bin ich einfach selbst so perplex, so dass ich auf den ein oder anderen Trick reinfalle! Zumindest hat man hinterher mehr zu erzählen – und zu lachen!

Natürlich kosten die Armbänder, die auf den Treppenstufen gebunden werden, auch nicht den angepriesenen Schnäppchenpreis von 5 Rupien pro Stein! Nachdem alles verknotet ist, wird auf einmal ein utopisch hoher Preis aufgerufen. Perplex zahlt der ein oder andere diese Wucherpreise – wo ich mich leider nicht von freisprechen kann. Erst später realisiert man dann, dass man kräftig abgezockt wurde. Etwas ärgerlich, weil man einfach nicht auf der Hut war, aber schon verkraftbar.

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Und nein, die zig Leute mit ihren Körbchen voller Blüten und Farbpigmenten, die über das Tempelgelände laufen, machen euch nicht aus purer Nächstenliebe eine Tika auf die Stirn – ihr werdet natürlich ordentlich zur Kasse gebeten. Da muss man schon etwas resistent sein und damit rechnen, dass einem der ein oder andere einen bunten Farbklecks auf die Stirn drücken möchte, um im anschließenden Atemzug die Hand aufzuhalten. Eine freundliche Ablehnung und ein Lächeln reicht hier aber aus, um dem kostenpflichtigen Segen zu entgehen.

 

Wart ihr schon einmal in Pashupatinath? Wie waren eure Eindrücke und Gedanken? Erzählt mir gerne in den Kommentaren davon!

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