Ein Ausflug in eine vergangene Zeit

Etwas verschlafen liegt das kleine Dorf umgeben von bewaldeten Hügeln am Ende der Zufahrtsstraße. Viel kann ich mir nicht darunter vorstellen, als unser Fahrer auf dem Weg nach Candidasa fragt, ob wir ein traditionelles Dorf sehen möchten. Ja, warum eigentlich nicht? Im Hinterkopf habe ich aber direkt die Befürchtung, gleich inmitten einer kompletten Touristenattraktion zu stehen.

Tenganan Village, Bali

Nach einem Ausstellungsraum mit ersten Informationen kann man sich einfach durchs Dorf treiben lassen. Die Häuser in ihrem typisch architektonischen Stil unterscheiden sich sehr von all dem, was ich sonst im Rest der Insel bisher gesehen habe. Als einziger Ort auf Bali ist Tenganan dazu auch von einer Mauer umgeben – hier wollte man wohl früher unter sich bleiben. Heute steht der Ort auch Touristen offen, die ihn zu den Öffnungszeiten besuchen können.

Über dicke Pflastersteine geht es entlang traditioneller Häuser, vorbei an kleinen Werkstätten und Souvenirgeschäften. Das Dorf ist terrassenähnlich aufgebaut – nach einem kurzen Spaziergang entlang der Dorfstraße machen wir es uns mit einem Kopi Bali gemütlich und lassen das Treiben auf uns wirken. Das Zentrum des Dorfs bildet eine langgestreckte, halboffene Versammlungshalle mit einem dicken Schilfdach. Obwohl der Urlaubsort Candidasa nur einen Katzensprung und wenige Fahrtminuten entfernt ist, fühlt sich der Besuch hier wie eine Zeitreise an – back to future einmal im richtigen Leben, wenn man so möchte. Hähne krähen, Truthähne schreiten vorbei und präsentieren sich von ihrer hübschesten Seite, Enten gackern, Rinder dösen im Schatten. Kinder spielen und tollen über die Straße und ziehen mit riesigen Lenkdrachen vorbei.

Truthahn, Tenganan Village, Bali

Vergangenheit trifft Moderne

Auch wenn vereinzelte Motorroller vor den Hauseingängen und Handys nicht so ganz ins Bild passen, bekommt man einen guten Eindruck, wie es hier früher einmal gewesen sein muss oder wie auch heute mancherorts wohl noch das klassische Dorfleben ablaufen wird.

Modernes Leben in antiker Umgebung wenn man so schön möchte. Nein, die Bewohner laufen nicht in der Kleidung von damals rum – Sarongs, Shorts oder auch Jeans sind in Tenganan angekommen. Traditionelle Kleidung tragen hier wahrscheinlich nur die jungen Brautpaare, die sich vor ihrer Hochzeit traditionell ablichten lassen.

Motorroller, Tenganan Village, Bali

Geschichte

Tenganan gehört zu den ältesten Dörfern Balis. In dem Freilichtmuseum bekommt man einen Eindruck, wie die Ureinwohner der Insel, die Bali Aga, einst gelebt haben müssen. Die Nachfahren leb(t)en seit jeher abgeschottet nach ihren eigenen Gesetzen und Traditionen – der Sage nach wurden die Bali Aga in Tenganan vom Gott Indra erschaffen und gelten somit als Auserwählte. Aufgrund dieser Sonderposition wurden die Dorfbewohner einst nicht hinduisiert und konnten so bis heute ihre Traditionen und auch Gesetze aus vorhinduistischer Zeit bewahren. Wer sich dagegen auflehnt oder die Gesetze missachtet, wird von der Dorfgemeinschaft ausgeschlossen – die Familie in den meisten Fällen ebenso.

Auch für die Liebe gibt es strenge Regeln – Hochzeiten außerhalb der Dorfgemeinschaft werden den alten Traditionen nach nicht geduldet und bedeuten ebenso den Ausschluss aus der Gemeinschaft. Wie lange sich diese Regelungen aufrechterhalten lassen, bleibt abzuwarten – immer mehr Jugendliche verlassen aus eigenen Stücken das Dorf, so dass die Anzahl der Einwohner immer weiter schrumpft.

Brautpaar, Tenganan Village, Bali

Handarbeiten

Da die Dorfbewohner als Auserwählte gelten, müssen sie nicht selbst auf ihren Feldern arbeiten – die Arbeit erledigen Bauern aus der näheren Umgebung, die ihre Pacht in Form von Erträgen an die Bali Aga bezahlen. So erklärt sich auch, warum den Bewohnern Tenganans genügend Zeit bleibt, sich dem traditionellen Kunsthandwerk zu widmen. Webereien, Korbflechter, Egg Painting, Anfertigung von Lontarschriften, bei denen mit einer Metallfeder z.B. Kalender und Karten in getrocknete Lontar-Palmen-Blätter geritzt werden und die Gravur anschließend mit Asche oder Ruß sichtbar gemacht wird. Ob wirklich alle Produkte hier hergestellt werden, mag ich bezweifeln – dennoch ist es ganz schön, einigen Künstlern über die Schulter schauen zu können.

Die Preise sind hier zum größten Teil Verhandlungssache – ein Vergleich lohnt sich. Während die Körbe hier erschwinglicher als z.B. auf den Märkten in Ubud waren, waren die bemalten Eier relativ teuer.

traditionelle Körbe, Bali

Touristen-Nepp?

Wenn man sich online die Bewertungen auf bekannten Portalen ansieht, reichen die Kommentare von „Fake Dorf“, „Touri-Trap“ bis hin zu „Eindrucksvoll“. So unterschiedlich können die Meinungen sein und irgendwie erkenne ich in allen einen kleinen Funken Wahrheit. Auch wenn ich selbst wirklich begeistert von dem Besuch bin, kann ich auch die negativen und enttäuschten Kommentare verstehen. Wie so oft kommt es auf die eigene Erwartungshaltung an – heutzutage sollte man sich dessen bewusst sein, dass der Tourismus ein lukratives Geschäft ist und Souvenirs nie aus der Mode kommen. Da ist es durchaus verständlich, dass die Einwohner versuchen, ein Stückchen vom Kuchen abzubekommen.

Mir selbst hat der Besuch in Tenganan wirklich unheimlich gut gefallen! Die Händler habe ich als höflich wahrgenommen – natürlich wird man eingeladen, sich die Geschäfte mit Wohnhäusern anzusehen. Es ist aber auch okay, wenn man Nein sagt. Ich möchte jedoch dazusagen, dass wir einen Fahrer dabei hatten, der mit uns durchs Dorf gegangen ist. Wie es auf eigene Faust ist und wie sich dann vielleicht auch das Verhalten der Händler ändern mag, kann ich nicht sagen.

Tenganan Village, Bali

Was hat mich gestört?

Dass Hahnenkampf auf Bali lange Tradition hat und hier als Kulturgut gilt, ist für mich zwar befremdlich, aber eben Teil der Kultur. Schwierig wird es dann für mich, wenn das Gefieder der Hähne in knatischigen Neonfarben eingefärbt ist und sie nur für zur Belustigung von Touristen für einen kleinen Obulus gegeneinander kämpfen gelassen werden. Aber wie so oft bestimmt auch hier die Nachfrage das Angebot. Das hat für mich nichts mehr mit Tradiotion zu tun, sondern eben mit der Belustigung von Touristen – ein schmaler Grat.

Lohnt sich ein Besuch?

Wenn ihr den Osten Balis besucht, lohnt sich ein Stopp in Tenganan in meinen Augen schon. Ihr könnt den Besuch z.B. wunderbar mit einem Tagesausflug nach Tirta Gannga oder auf der Fahrt nach Candidasa oder Amed verbinden. Ob ich nur für einen Besuch des Dorfes in den Osten der Insel fahren würde, weiß ich jedoch nicht. Aber ja: Die Zeit hier hat mir wirklich gut gefallen. Ich habe nette Menschen getroffen, einen leckeren Kopi Bali getrunken, weiß mehr über die Korbflechterei als vorher und habe die Zeit hier wirklich genossen!

Wie teuer ist der Eintritt?

Der Eintritt ist kostenlos – nur eine Spende ist erwünscht. Wir haben beispielsweise zu zweit 50.000 Rupiah in die Spendenbox getan.

Wart ihr schon einmal im Osten Balis und habt weitere Tipps oder noch Fragen? Berichtet mir gerne in den Kommentaren davon! Solltet ihr eine Reise in den Norden Balis planen, helfen euch bestimmt auch meine Beiträge über Pemuteran oder Lovina weiter.

Folgt ihr mir eigentlich schon auf Instagram und Facebook? Ich freue mich, wenn wir uns auch da vernetzen!

Eure Anna ♥

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