Über das Leben mit Zöliakie
Der Mai beginnt nicht nur mit dem Maifeiertag, sondern ist gleichzeitig auch der Beginn des Celiac Awareness Month. Rund um den weltweiten Zöliakie-Tag am 16. Mai wird auch in den Mai-Wochen davor und danach auf Zöliakie und die besonderen Bedürfnisse von Betroffenen aufmerksam gemacht. Es wird unter anderem über die speziellen Ernährungsbedürfnisse aufgeklärt, die eine Zöliakie-Erkrankung mit sich bringt, das Bewusstsein dahingehend geschärft, was Zöliakie bedeutet und wie sich das Leben für Betroffene nach der Diagnose gestaltet. Aber brauchen wir überhaupt noch mehr Aufklärung zum Thema Zöliakie?
Von dem Wunschbild, dass Zöliakie in unserer Gesellschaft ein geläufiger Begriff ist, sind wir leider auch in 2024 immer noch weit entfernt. Auch wenn sich glutenfreie Produkte und Gerichte in der Vergangenheit immer mehr ihren Platz in Supermarktregalen oder auf Speisekarten erkämpft haben, stecken das Verständnis und Wissen rund um die Bedürfnisse von Menschen mit Zöliakie leider oftmals noch in den Kinderschuhen.
Eins möchte ich vorwegnehmen: Ja, es hat sich viel in den letzten Jahren getan. Wenn ich an meine Anfangszeit direkt nach der Diagnose und die damalige Produktauswahl denke, ist das heutige glutenfreie Leben einen ganzen Schritt weitergekommen! Das ist insbesondere der Arbeit verschiedenster Zöliakie-Gesellschaften, Betroffenen, Selbsthilfegruppen, aber auch glutenfreien Blogs oder Social Media Kanälen zu verdanken.
Und ja, es gibt auch Restaurants & Cafés, die sich entweder komplett ihrer glutenfreien Kundschaft widmen oder sich zumindest große Mühe geben und auf die besonderen Bedürfnisse von Gästen mit Zöliakie eingehen. In meiner Aufzählung dürfen auch die verständnisvollen Familien und Freunde nicht fehlen, die Rücksicht auf die Special Effects ihrer Lieblingsmenschen nehmen! Ich glaube, da kann ich für jeden Betroffenen und jede Betroffene sprechen: Solch positive Erfahrungen und Möglichkeiten machen uns glücklich und geben uns ein großes Stück Lebensqualität zurück! Und gerade diese Erfahrungen stimmen mich so hoffnungsvoll. Jetzt kommt das Aber: Auch wenn es all die positiven Punkte gibt, gibt es leider auf der Kehrseite der Medaille noch ganz schön viel Luft nach oben!
Regelmäßig blickt man auch heute noch mit Zöliakie in rat- oder verständnislose Gesichter. Ich bin wahrscheinlich nicht die Einzige, die in all den Jahren lernen musste, dass die Bezeichnung „glutenfrei“ in Cafés oder Restaurants oftmals noch lange nicht „sicher glutenfrei“ bedeutet und für Menschen mit Zöliakie zu einem echten Problem werden kann. Ich erinnere mich heute noch an eine Situation, als mir in einem Café, das explizit mit glutenfreiem Kuchen geworben hat, eiskalt entgegengepfeffert wurde: „Wenn Sie so allergisch sind, müssen Sie halt Zuhause essen!“
Nicht selten wird man als betroffene Person belächelt, nicht ernst genommen, als Spinner oder Trendsetter abgetan. Nach wie vor werden Bedürfnisse von Betroffenen leider viel zu oft nicht ernst genommen oder gar verstanden. Und ja, ich bin mir sicher, dass Unwissenheit einen großen Teil dazu beiträgt.
Warum ist Aufklärung so wichtig?
Für Menschen mit Zöliakie bringt die Erkrankung eine lebenslange, strikte glutenfreie Diät mit sich. „Mal eine Ausnahme machen“, sogenannte „Cheat Days“ oder mal beide Augen zudrücken sind da nicht drin. Das gilt für das Leben in den eigenen vier Wänden genauso wie für das Leben im Kindergarten, der Schule, der Uni, im Beruf und in der Freizeit. Kino-, Kirmes-, Restaurantbesuche, Kaffeetrinken, Urlaube, Kurztrips – all die Dinge, über die man sich im Normalfall keine Gedanken macht, bringen für Menschen mit Zöliakie mal weniger hohe, mal größere Hürden und Herausforderungen mit sich. „Mal eben spontan“ sein benötigt in den meisten Fällen einiges an Recherche und Vorbereitung.
Bedeutet: Das normale Alltagsleben kann durch die Erkrankung in vielen Bereichen durchaus eingeschränkt sein und nimmt vielen Betroffenen ein Stück ihrer unbeschwerten Lebensqualität. Nicht umsonst ist Zöliakie als Behinderung anerkannt. Leider ist aber genau das so oft noch nicht in unserer Gesellschaft angekommen. Auch wenn es selbstverständlich immer ein Stück weit auch auf die eigene Einstellung und den Umgang mit der eigenen Erkrankung ankommt, ist man jedoch genauso auf das Verständnis der Außenwelt angewiesen. Und eins steht fest: Solange man als betroffene Person ein unsicheres Gefühl bei Restaurantbesuchen hat, oder in Internet-Foren lesen muss, dass man sich nicht so anstellen und seine Fre*** halten soll, oder dass man einfach zu Hause bleiben und anderen Menschen nicht auf den Sa** gehen soll, ist eine Aufklärung rund um diese Autoimmunerkrankung noch bitter nötig!
Aufklärung für Betroffene selbst
Zum einen ist eine breite und verlässliche Aufklärung, insbesondere für Betroffene selbst enorm wichtig. Niemand kann nach der gesicherten Diagnose von jetzt auf gleich alles zum Leben mit Zöliakie wissen. Auch ich lerne heute, fast 15 Jahre nach meiner Diagnose, immer noch dazu! Dabei ist man auf detailliertes Infomaterial, auf die Forschung, Blogbeiträge und den persönlichen Austausch mit anderen Betroffenen angewiesen, um sich mit seiner neuer Lebenssituation zurechtzufinden! Nur wenn es verlässliche Quellen und eine breite Möglichkeit der Aufklärung gibt, kann betroffenen Menschen das Leben mit Zöliakie erleichtert werden und auf dem Weg zu einem beschwerdefreien Leben helfen.
Aufklärung für Nicht-Betroffene
Genauso wichtig ist die Aufklärung jedoch auch für Menschen, die selbst nicht von Zöliakie betroffen sind. Das können Familienangehörige, Freunde und Freundinnen oder Personen sein, die beispielsweise in der Gastronomie oder Lebensmittelbranche tätig sind. Ich möchte niemandem zu nahetreten, aber oftmals sind Nicht-Betroffenen die Ausmaße nicht bewusst, die das glutenfreie Leben für Menschen mit Zöliakie mit sich bringt.
In den meisten Fällen ist der Unterschied zwischen der freiwilligen Entscheidung, kein Gluten mehr essen zu wollen, einer Glutenunverträglichkeit und einer Zöliakie unbekannt. Viel zu selten wird das Ganze differenziert gesehen und viel zu oft wird hier angenommen, dass man nur einem Trend nacheifert.
Was können wir tun?
Gegenseitiges Verständnis, Geduld, Ehrlichkeit und Offenheit sind in meinen Augen die wichtigsten Faktoren. Nur so können sich Betroffene und Nicht-Betroffene austauschen, Bedürfnisse klar kommunizieren, verstehen und im besten Fall einen Schritt aufeinander zugehen. Es ist enorm wichtig, Vorurteile abzubauen, sich gegenseitig zuzuhören und deutlich zu machen, dass es sich bei Zöliakie eben nicht um einen Trend, sondern um eine anerkannte Behinderung handelt.
In meiner Kategorie „Q&A Zöliakie“ findet ihr noch weitere Beiträge rund um das Thema Zöliakie! Ist Dinkel glutenfrei? Ist Mais glutenfrei? Wie lese ich Zutatenlisten richtig und was gilt es zu beachten, wenn ich glutenfreien Besuch bekomme?
Was ist euch besonders wichtig, wenn es um das Thema Aufklärung rund um Zöliakie geht? Schreibt mir gerne hier einen Kommentar oder meldet euch über Instagram oder Facebook!
Eure Anna ♥